Die Fahrkarte zum Spaß – Premiere begeistert Alt und Jung
Kolpingtheater schickt durchgeknallte
Typen auf Bahnreise im Champus-Express
veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung vom 28.01.2019
Die heile Welt der Eisenbahnromantik war gestern. Ganz in der Realität des 21-Jahrhunderts angekommen ist hingegen der Champus-Express, den die Kolpingsfamilie Bad Waldsee mit dem gleichnamigen Theaterstück von Ernst Spehling am Freitagabend vor vollbesetztem Haus aufs Gleis setzte. Erfahrene Bahnfahrer verfolgten mit wissendem Blick die Groteske einer privatisierten Bahn, die im Stück auf äußerst amüsanter Art zur Schau gestellt wird. Man nehme hier nur einmal den muffigen Schaffner Wischnewski (Franz Müller) der bereits beim Einlass in den Saal des Gemeindehauses, die Fahrkarten der Besucher äußerst penibel kontrollierte und auf die korrekte Platzbelegung achtete. Er ließ den verdutzen Fahrgast auch wissen, dass es neben der Sparcard für ein reduziertes Ticket auch noch den Super Sparpreis Plus gibt, genauso das Quicki Ticket zum Easy Weekend Tarif oder das Midlife Easy Ticket – dafür ist jedoch der Versicherungsvertreter Steffen Fettenläufer (Reinhard Schüssler) genau eine Woche zu jung. „Jau“ knurrt Wischnewski abschließend und kassiert von Fettenläufer eine horrende Nachgebühr ab. Dass es auch freundlicher geht, zeigt die Zugchefin Gesine Grube-Steckel (Helga Munz), die mit herzlicher Art versucht ihren Laden zusammen zu halten, obwohl das mit der abgebrühten Reinigungskraft Ludmilla (Marion Metzler) und der eigenwilligen Bistrokellnerin Gertrud (Christine Auer) nicht ganz einfach ist. „Wir haben noch viel Schulungsbedarf für das ehemals staatliche Personal“, so Gesine.
In dieses geschützte Biotop brechen nicht nur die Fahrgäste ein und sorgen für lästige Störungen. Auch ein Gaunerpärchen hat sich entschlossen, die Bistrokasse im Champus-Express auszurauben – Bonnie und Clyde lassen grüßen. Regisseur Ulrich Hörmann hat bei der Besetzung des Gaunerduos ein glückliches Händchen bewiesen. Erstmals mit einer Hauptrolle bedacht wurde dieses Jahr Anna Heilmann, die als Kati die strategischen Akzente setzt und zur Not auch auf Teufel komm raus mit Wischnewski und Fettenläufer flirtet. „Ich hab mich sehr gefreut, dass ich die Rolle bekommen habe“ freut sich Heilmann im Gespräch mit der SZ. Der viele Text habe ihr keine Probleme bereitet und dank der vielen Proben habe sie auch gut in die Rolle hinein gefunden. Mit Stefan Scheiter steht ihr ein Urgestein des Kolpingtheaters zur Seite. Er meistert die Unbeholfenheit und die panischen Angstattacken des Ganoven Rudolf genauso souverän, wie dessen geniale Ausflüge in die Interpretation avantgardistischer Kunstinstallationen – indem Fall das Versteck mit dem Beutegut. Ja man glaubt es kaum, aber der Überfall auf die Bistrokasse gelang den Beiden tatsächlich. Es war eine jener Szenen, die von den Besuchern als besonders gelungen bezeichnet wird. Vor allem Christine Auer in der Rolle der Bistrokellnerin wird da ganz gerne als „das i-Tüpfelchen“ bezeichnet. Auch ihr breit-schwäbisches Mundwerk, mit dem sie den herben Charme der Gertrud unterstreicht, gefällt den Zuschauern ausgesprochen gut. „Ich finde es richtig schön, dass die hier schwäbisch sprechen“ war das Thema in einem Pausengespräch. Eigentlich hat Bistrokellnerin Gertrud einen recht guten Überblick, wer und was so alles im Zug unterwegs ist. Nach dem Überfall liegen aber auch ihre Nerven blank, denn „im Zug sind nur Bekloppte“ und da ist es dann nicht ganz so einfach, der Zugchefin und den auf freier Strecke zugestiegenen Polizisten den Tathergang zu erklären. Es sind Szenen für die Ewigkeit, wenn Gertrud hyperventiliert und ihr Tütchen mit dem genauso gebeutelten Rudolf teilt.
„Nur Bekloppte im Zug“, so Gertrud – und da denkt sie natürlich auch an das bunte Sammelsurium von Fahrgästen, die dank Doppelrollen für viel Abwechslung sorgen. Den formal, steifen Versicherungsvertreter Fettenläufer haben wir schon kennen gelernt. Ähnlich krasse Erfahrungen mit dem Bahnpersonal macht auch der Radsportler (Robert Amann), dessen bestes Stück nur als demontiertes Handgepäck zum Wucherpreis mit auf die Reise darf. Für ein bisschen Ekelfaktor sorgt die Pathologin Prof. Dr. Piepenbrink (Marion Metzler), als sie bildhaft die Speisen im Bordbistro mit ihren Gewebe- und Blutproben vergleicht. Lieselotte (Yvonne Kaemnitz) und ihr Enkel Timmi (Eric Hohl) hingegen wissen sich gewappnet, um dem Zugpersonal Paroli zu bieten. Hohl spielt dieses Jahr das erste Mal beim Kolpingtheater mit. „Es ist ein schönes Projekt und ich kann es jedem empfehlen, mal mit zu machen“ resümiert er zufrieden nach der Premiere.
Um die Aufklärung des Überfalls wird sich im dritten Akt die kurzfristig zugestiegene Polizei kümmern, an deren Spitze die Kommissare Axel Zöllner (Robert Amann) und Anne Kleinfeld (Yvonne Kaemnitz) gehören. Zöllner im trottelhaften Columbo-Stil und die frech, sächsische Kleinfeld haben auch die Spurensicherung dabei (Ulrich Hörmann und Nadine Sonntag). Nachdem das spektakuläre Verbrechen im Champus-Express geklärt ist und der Stress ein Ende hat, bedankt sich das Publikum mit langanhaltendem Applaus.
Info: Von jeder verkauften Eintrittskarte geht ein Euro zur Unterstützung des Schulprojekts Pattathur der Kolpingfamilie in Palayamkottai in Indien
Vorankündigung
Letzte Proben beim Kolpingtheater
Premiere für „Stress im Champus-Express“
am Freitagabend
Die letzten Proben sind erfolgreich gelaufen und nun startet die Mannschaft des Kolpingtheaters mit den diesjährigen Aufführungen. Insgesamt neun mal werden die Schauspieler mit dem Stück „Stress im Champus-Express“ im katholischen Gemeindehaus St. Peter auftreten und die Zuschauer mit auf eine abenteuerliche Bahnreise einladen. Die Wagons des mondänen Privatzuges rollen zwar durch oberschwäbische Gefilde, halten aber zum Leidwesen eines Ganovenpärchens nirgends an. Das ganze Stück spielt im Bordbistro des Zugs und das war für die Bühnenbauer eine enorme Herausforderung, verrät Regisseur Uli Hörmann während der Probe. Er hat das moderne Stück ausgewählt, weil es einen humorigen Blick auf das Deutsche Bahn Universum wirft und mit der eingewebten Kriminalgeschichte über einen roten Faden verfügt. Die große Vielfalt an Fahrgästen meistert das Ensemble mit mehreren Doppelrollen. Die Premiere ist fast ausverkauft, aber für die anderen Aufführungen gibt es an den Abendkassen noch Restkarten. Als besonderen Tipp für alle Kurzentschlossenen empfiehlt Hörmann die Aufführung am Sonntag 27. Januar. „Da haben wir auch noch richtig gute Plätze frei“ so Hörmann.
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